Geld ist ein seltsames Ding: Einerseits haftet ihm etwas Schmuddeliges an, andererseits wollen es doch alle haben. Geld in Form von Löhnen und Gehältern bietet uns aber einen mächtigen Hebel, die Arbeitswelt zu gestalten – wenn wir uns trauen.
Ich habe sehr lange gebraucht, bis ich offen über mein Geld und meine Honorare sprechen konnte. Und noch länger hat es gedauert, bis ich selbstbewusst ein Preisschild an meine Arbeit heften konnte. Dabei ist beides doch ein so wichtiger Teil einer erfolgreichen Selbständigkeit – und wird nicht auch gerade Frauen oft gesagt, sie sollten halt mal besser verhandeln, um die Gender Pay Gap – die Lohnlücke von über 20 Prozent zwischen den Geschlechtern – zu schließen?
Über Geld zu sprechen war eigentlich nie ein Tabuthema für mich. Was ich irgendwann feststellte, war, dass nicht Geld an sich das schwierige Thema für mich war, sondern ganz explizit meiner Arbeit einen Wert zuzuordnen und den auch einzufordern.
Als die Wertschätzung ausblieb, ging ich
Als ich mich nach meinem Volontariat selbständig machte, habe ich mit geringen Honoraren angefangen, teilweise nur 100 Euro Tagessatz – brutto. Heute arbeite ich zu diesen Tagessätzen nicht mehr. Ich würde ein Projekt, das mich fasziniert, eher umsonst unterstützen, als einen Job anzunehmen, für den mir so ein Honorar angeboten wird.
Damals, als Berufseinsteigerin, war ich glücklich damit und weiß heute, dass das natürlich auch ganz bewusst genutzt wurde. Ich war froh über die paar Krumen, die mir hingeworfen wurden, und mein Auftraggeber hatte jemanden, der billig und sehr motiviert für ihn gearbeitet hat.
Und es war damals wirklich okay für mich. Ich habe viel gelernt dort und habe mich auch sehr wohl gefühlt. Ich habe viel von der Wertschätzung, die man auch monetär ausdrücken kann, über die Interaktion und Kommunikation mit den Kollegen erhalten. Doch irgendwann hatte ich alles gelernt, was ich auf dieser Position lernen konnte, man bot mir keine Entwicklungsmöglichkeiten an und zunehmend blieb auch die Wertschätzung meines Auftraggebers aus. Das war der Punkt, an dem ich ging.
Geprägt von Erzählungen, die man irgendwo hört
Das war zu einem Zeitpunkt, an dem ich bereits ganz bewusst daran arbeitete, meine Interessen in Honorar-Verhandlungen zu vertreten. Doch das ist gar nicht so leicht. Einmal saß ich in Verhandlungen, die sich im Nachhinein als Farce herausstellten – man wusste schon vorher, was man bereit zu zahlen war. Als ich meine Zahl sagte, erntete ich einen verständnislosen Blick und einen nicht weiter verhandelbaren Gegenvorschlag, den ich schließlich akzeptierte. Man könne leider, leider absolut nicht mehr zahlen, das sei absolut unmöglich, sagte man mir. Später erfuhr ich, dass ein männlicher Kollege im selben Haus – gleiches Alter, vergleichbare Erfahrung, vergleichbare Ausbildung – aus dem Stand und ganz ohne schwierige Nachverhandlungen mehr angeboten bekommen hatte.
Ich stellte auch fest, dass es viele Erzählungen gab, die meine Einstellung zu Geld und Honorarverhandlungen beeinflussten. Ein Freund von mir hatte mir einmal von einer Freundin erzählt, die sich auf einen Job beworben hatte und schließlich genommen wurde, weil sie die einzige war, die im gesamten Verlauf der Bewerbungsprozesses nicht nach ihrem Gehalt gefragt hatte. Er war stolz auf sie, weil sie so nett bescheiden war. Damals fand ich das sehr smart von ihr, heute kann ich nur den Kopf darüber schütteln – über sie, aber auch über den Arbeitgeber, der sich hier wirklich schäbig verhalten hat.
Geld eröffnet einen Gestaltungsspielraum
Es ist ein fatales Signal, denn damit überhöhen wir Geld. Denn zuallererst ist Geld einer der notwendigen Gegenwerte für unsere Arbeitsleistung. Ob wir unseren Job gern machen oder nicht, ob wir uns in ihm verwirklichen oder nicht – Geld ist Teil des Tauschgeschäfts und auch wenn wir an manchen Stellen für einen anderen Gegenwert als Geld arbeiten: Ganz ohne Geld geht es nicht.
Geld schafft Freiheit, auch Entscheidungsfreiheit. Und es schafft Gestaltungsspielräume. Ich kann mich nur deshalb ohne Honorar in bestimmten Projekten engagieren, weil ich andere Projekte habe, in denen ich fair bezahlt werde und meine Miete, meine Nahrung, meine Krankenversicherung zahlen kann. Fair bezahlt zu werden ist keine Nettigkeit und es sollte auch kein Glücksfall sein – es ist lebensnotwendig und sollte ganz selbstverständlich Teil einer neuen Arbeitswelt sein.
Geld ist Ressource und Werkzeug
Fair entlohnte Projekte halten mir den Rücken frei und geben mir den Raum, diese Gesellschaft und diese Wirtschaft auch dann mitzugestalten, wenn es sich um kleine oder ehrenamtliche Projekte handelt. Das ist ein hohes Gut und eines, das sich eine Gesellschaft leisten können sollte. Und dass wir uns eigentlich – jetzt mal ernsthaft – auch leisten können, wenn wir wollten. Was Geld nicht ist: Ein Wertmaßstab für mich als Mensch oder mein Selbstwertgefühl.
Was diese Arbeitswelt braucht ist die Entzauberung von Geld. Wenn wir Geld und Bezahlung entzauberten, könnten wir viel freier darüber sprechen und es ganz selbstverständlich als Teil unserer Arbeit ansehen, als Werkzeug, als Ressource oder als Gegenleistung.
Raus aus der dunklen Ecke damit!
Ich bin der Meinung: Um Bezahlung als Gegenwert unserer Arbeit wirklich gerecht zu machen, sollte das Thema raus aus der dunklen Ecke, hinein ins Licht – wir sollten miteinander ganz offen darüber sprechen können. Und zwar nicht in Zweiergesprächen in irgendeinem Büro, sondern offen im gesamten Team. Zahlen sollten offengelegt werden, Mitarbeiter Teil des Aushandlungsprozesses werden.
Es gibt bereits Unternehmen, in denen das getan wird, in denen die Budgetplanung inklusive der Gehälter und Honorare für Festangestellte und Freie im Team diskutiert wird. Das ist ein sehr radikaler Ansatz und erfordert viel Reife in der Organisation. Es ist deshalb ganz sicher nichts, das von heute auf morgen eingeführt werden kann. Und vielleicht passt es auch nicht in jedes Unternehmen. Doch wenn wir davon mitnehmen, dass wir diese irrationale Scheu über Geld zu reden ablegen können – sehr gut.
Den eigenen monetären Wert benennen lernen
Wie tief diese Scheu verankert ist, sieht man doch auch daran, dass in vielen Arbeitsverträgen steht, dass man über sein Gehalt nicht reden darf. Das ist eine Klausel, die gern ignoriert werden darf, denn sie ist nicht rechtens. Doch vor allem erzählt sie viel über den Arbeitgeber: Was Gutes soll aus dieser Regelung erwachsen? Welcher Geist steckt dahinter, was will man damit erreichen?
Es ist eine Klausel, die für Intransparenz und Ungerechtigkeit im Unternehmen sorgt. Denn das verbieten tut doch nur der, der etwas zu verbergen hat. In diesem Sinne möchte ich Euch anstiften: Redet über Geld! Benennt Euren monetären Wert. Und wer darüber die Nase rümpft, passt nicht zu Euch. So einfach ist das.