Ellen Pachabeyan ist Karriere-Coach und begleitet Männer und Frauen in Fragen rund um den Job. Sie weiß, was die großen Fragen besonders bei weiblichen Karrieren sind – und wie man sie beantwortet.
Frau Pachabeyan, Sie sind Karriere-Coach. Was ist denn Ihrer Erfahrung nach die größte Baustelle, mit denen Frauen zu Ihnen kommen?
Viele Frauen, die zu mir ins Coaching kommen, bewegen sich in dem typischen Spannungsfeld zwischen Karriere einerseits und Familie andererseits. Wenn noch keine Kinder da sind, ist häufig die Frage: Wann ist der richtige Zeitpunkt? Wie wird sich meine Karriere dadurch verändern? Wenn sie bereits eine Familie gegründet haben, stehen häufig Themen wie Selbstmanagement und Work-Life-Balance im Vordergrund. Sie haben aber auch grundlegende Wertekonflikte: Wo will und muss ich meine Energie und Zeit reingeben?
Dies ist ein Stück, das für das Projekt „BizzMiss“ entstanden ist – ein Online-Magazin, das ich im Jahr 2014 mit drei Mitstreiterinnen gründete. BizzMiss gibt es mittlerweile nicht mehr. Hier habe ich notiert, warum das gut ist.
Häufig fällt die Antwort auf diese Frage anders aus, wenn erstmal Kinder da sind. Die klare Ausrichtung auf Karriere ist plötzlich nicht mehr so unangefochten, weil sich die persönlichen Prioritäten und Werte anders ordnen. Bei Männern stellen sich übrigens ganz ähnliche Fragen. Die Frage, ob Familie und Karriere vereinbar sind – wenn sie es denn wollen – beantworten die meisten Männer allerdings häufiger mit einem klaren Ja!
Was raten Sie den Frauen, die mit solchen Fragen zu Ihnen kommen?
Findet heraus, was ihr tatsächlich wollt und lasst euch weniger von den Anforderungen und Erwartungen anderer leiten! Denn langfristig, so die Erfahrung aus vielen Coachingprozessen und meinem eigenen Karriereweg, tragen nur die Entscheidungen, die in Übereinstimmung mit den eigenen Werten und Zielen getroffen werden. Wenn ich weiß, warum ich mich so entscheide, wie ich es tue, kann ich mich auch nach außen klarer positionieren und habe in schwierigen und herausfordernden Phasen die notwendige Energie und Motivation.
Gibt es etwas, das Frauen grundsätzlich anders im Beruf machen als Männer?
Das Geschlecht ist nur eine Variable, die das konkrete Handeln im Job beeinflusst. Faktoren wie die eigene Persönlichkeit, persönliche Werte, die Kompetenzen, aber auch die Unternehmenskultur und die Branche spielen dabei mindestens eine ebenso große Rolle. Für viele Frauen, mit denen ich bisher gearbeitet habe, spielte allerdings die emotionale Ebene auch im beruflichen Kontext eine größere Rolle. Sie hatten mehr im Fokus, wie es ihren Kollegen, Vorgesetzten, Mitarbeitern geht und was ihr Verhalten vielleicht bei anderen auslöst.
Was ist denn dran an der Legende, dass Frauen nicht so karrierefixiert sind: Sind sie tatsächlich weniger in Führungspositionen vertreten, weil sie nicht wollen – oder weil man sie tatsächlich nicht lässt?
Beides sind Gründe dafür, denke ich. Viele Frauen würden wahrscheinlich sagen: Ja, ich möchte eigentlich Karriere machen, aber nicht unter diesen Bedingungen. Ich habe einige Frauen kennengelernt, bei denen die typischen Karrieretreiber sehr ausgeprägt waren. Und genau bei diesen Frauen treten die größten Spannungen auf, wenn sie dann Familie gründen. Dann kämpfen sie häufig mit Erwartungen, wie sie ihre Mutterrolle wahrzunehmen haben, und gleichzeitig mit ihrem schlechten Gewissen, weil sie eigentlich auch weiter Karriere machen möchten.
Ich ermutige diese Frauen dazu, sich Ihren Karrierewunsch nicht auszureden und stattdessen zu versuchen, im Unternehmen und im persönlichen Umfeld Bedingungen zu schaffen, wie es eben doch gehen kann. Und wenn Sie sich dagegen entscheiden, dann ist es auch gut – denn dann sind sie nicht daran „gehindert“ worden, sondern haben selbst aus gutem Grund eine Entscheidung getroffen.
Viele Frauen in Führungspositionen wirken eher männlich, haben sich viele Strategien von ihren männlichen Konkurrenten abgeschaut. Kann man als Frau nicht erfolgreich sein?
Das liegt oftmals weniger am Geschlecht, als an der Position und der Unternehmenskultur. Grundsätzlich haben sowohl Männer als auch Frauen weibliche und männliche Qualitäten. Zu führen bedeutet häufig, auch Auseinandersetzungen zu haben und auch mal klar zu sagen, wo es lang geht. Dies wird häufig als männliche Eigenschaft wahrgenommen, ist aber mehr der Anforderung und Aufgabe geschuldet.
Und andersherum: Wird mein weiblicher Chef mich als Mitarbeiter anders behandeln, als ein männlicher Chef das tun würde?
Interessant ist an dieser Stelle eher, welche Erwartungen habe ich als Mitarbeiter im Kopf, wenn ich einem Chef oder wenn ich einer Chefin gegenüber stehe. Aus der Sozialpsychologie wissen wir, dass Kommunikation und Verhalten zwischen zwei Menschen stark durch deren Überzeugungen und Annahmen über sich selbst und den anderen geprägt sind und diese häufig unbewusst einwirken. Das bedeutet: Wenn ich als Mitarbeiter davon ausgehe, dass Frauen als Vorgesetzte verständnisvoller sind, dann werde ich genau das an meiner Chefin auch verstärkt wahrnehmen und mich bei Problemen schneller an sie wenden.
Ellen Pachabeyan ist Business and Personal Coach und unterstützt Menschen darin, beruflichen Erfolg, Gesundheit und persönliche Sinnerfüllung in ein Gleichgewicht zu bringen. Sie verfügt über mehr als 10 Jahre Erfahrung als Diplom-Psychologin und psychologische Fachberaterin im Gesundheitsbereich und konzentriert sich seit 2006 auf Coaching zum Selbstmanagement, Karriereorientierung, Work-Life-Balance sowie Coaching für Unternehmen. Als Trainerin ist sie in den Bereichen Stressmanagement, Selbstmanagement für Führungskräfte und Kommunikation tätig. http://www.pachabeyan.de