Wo manche sich schon auf die Rente freuen, haben Marion King und Heike Stiegler noch einmal neu durchgestartet: Mit über 50 haben die beiden sich selbständig gemacht. Im Interview erzählen sie, wie es dazu kam und was sie daraus lernten – Teil vier der Gründerinnen-Serie.
Marion King und Heike Stiegler haben etwas Besonderes miteinander gemeinsam: Sie haben beide mit über 50 gegründet. Marion zog die Reißleine, nachdem sie kurz vor dem Burnout stand und fragte sich: Was will ich wirklich? Sie gründete „Les Enfants Terribles“, eine Schule und Community für neues und achtsames Arbeiten. Heike machte aus dem Hobby einen Beruf neben der angestellten Teilzeit und gründete „Heike Stiegler Communication“, wo sie heute in den Bereichen Social Media und Mobile Reporting berät und Webvideos und Podcasts produziert.
Marion, Du warst so ziemlich am Ende Deiner Kräfte, als Du Dich für die Gründung entschieden hast – ist das nicht auf den ersten Blick eine etwas schräge Entscheidung?
Marion: Zum Zeitpunkt der Gründung war ich fast schon wieder aus der Krise raus. Aber davor war ich eine ganze Weile gesundheitlich ziemlich angeschlagen gewesen, was ich aber lange ignoriert hatte. Und dann habe ich das Konzept zu „Les Enfants Terribles“, das ich schon eine ganze Weile in der Schublade hatte, von einem auf den anderen Tag einfach umgesetzt, die Webseite gemacht und online gestellt. Ich beschäftige mich ja schon sehr lange mit dem Thema Organisation der Zukunft und Digitalisierung, habe als Beraterin, Trainerin und Coach gearbeitet. Meine Krise hat mir geholfen, „Les Enfants Terribles“ zu gründen, wo es genau darum geht, dass Menschen gut miteinander arbeiten und für ihr Arbeitsleben Verantwortung übernehmen. Insofern war die Gründung absolut folgerichtig.
Heike, auch Du hast erst relativ spät gegründet, wie kam das bei Dir?
Heike: Mit 49 hab ich begonnen mich beraten zu lassen. Das zog sich dann ein wenig, die eigentliche Gründung war dann mit 50 oder 51. Seit der Geburt meiner Tochter – die zu diesem Zeitpunkt bereits 20 Jahre alt war! – hatte ich in Teilzeit gearbeitet und ich wollte wieder mehr arbeiten. In der Zwischenzeit hatte ich mich weitergebildet und zwei Fernstudien abgeschlossen. Im Jahr 2012 hatte ich außerdem an einem Workshop für Mobile Journalism in Budapest teilgenommen. Ich glaube, ich war danach die erste richtig ausgebildete „Mojo“ in Deutschland! Mojo steht für das Produzieren von journalistischen Beiträgen ausschließlich mit dem Smartphone. Bei Veranstaltungen, zu denen ich geladen war, habe ich immer wieder festgestellt, dass Unternehmerinnen von diesem Thema überhaupt keine Ahnung hatten, es aber super spannend fanden und mir so den Floh ins Ohr setzten, das als Dienstleistung anzubieten. Damit stand ich nun vor der Wahl: Wieder Vollzeit in Festanstellung, aber ohne Möglichkeit meinen Fähigkeiten entsprechend zu arbeiten, oder weiter in Teilzeit und nebenberuflich frei zu arbeiten. Ich habe mich dann für die zweite Version entschieden – ein wenig Sicherheit sollte sein, aber dennoch selbständig.
Was waren die größten Herausforderungen für Euch?
Heike: Die größte Herausforderung für mich bin ich selbst. Denn ich weiß zwar, was ich kann und dass ich mein Geschäft verstehe, aber wenn es darauf ankommt, empfinde ich mich immer als nicht gut genug. Das Feedback, das ich bekomme ist allerdings anders – das baut mich wieder auf und macht mir Mut.
Marion: Ich musste lernen, mich zu trauen: Aussprechen was ich denke und als Person für ein Thema stehen. Das mache ich jetzt bei unseren Veranstaltungen, in Keynotes und in Workshops. Einfach anzufangen war ein großer Schritt für mich. Heute sind in der Community schon knapp 80 Menschen miteinander vernetzt, die sich mit mir zu dem Thema engagieren, ein sehr tolles Gefühl!
Heike: Eine weitere große Herausforderung war für mich, dass ich plötzlich einen Preis nennen muss. Ganz schrecklich für jemanden, dem von Kindes Beinen an eingetrichtert wurde, dass man über Geld nicht spricht… Ich habe hartnäckig recherchiert und Personen gefunden, die mir auf dem Gebiet weitergeholfen haben und kann heute sagen, dass ich zwar immer noch Hemmungen habe, wenn ich eine Rechnung schreiben muss, doch es wird langsam besser. Und meine Positionierung – auch ein wichtiges Feld. Wenn ich heute das erste Konzept ansehe, das ich gemeinsam mit meiner Unternehmensberaterin erstellt habe, dann ist da nicht mehr viel davon zu erkennen. Ich habe mein Angebot konstant weiterentwickelt.
Was wäre anders gewesen, wenn ihr in einem anderen Lebensalter gegründet hättet?
Marion: Das Interessante und irgendwie Erschreckende am Prozess des Gründens war, dass mir mein Alter so bewusst wurde. Ich fühle mich nicht wie 50 und sehe auch nicht so aus. Aber auf einmal kriegt das alles so eine Endlichkeit. Ich weiß natürlich, dass ich noch ganz viel Zeit habe, aber auch vor dem Hintergrund meiner Krise bleibt eine wichtige Frage für mich, wie viel will ich arbeiten und vor allem was will ich arbeiten. Das ist schon spannend. Und mir ist bewusst geworden, wie viel ich doch weiß und kann, welche Erfahrung ich habe – und wie ich die gut oder sogar noch besser nutzen kann. Von daher bin ich dann doch ganz dankbar für mein Alter!
Heike: Ich glaube nicht, dass meine Gründung in jüngeren Jahren besser verlaufen wäre, anders vielleicht. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass ich noch nicht dazu bereit gewesen wäre.
Was ist die wichtigste Lektion, die ihr gelernt habt?
Marion: Ich hätte es doch schon viel früher machen können. Man muss echt nicht warten!
Heike: Das sehe ich ähnlich: Die wichtigste Lektion ist für mich, dass es egal ist, wie alt du bist – wenn du der Meinung bist, du möchtest jetzt etwas Neues beginnen, dann tu es. Dann ist es dein Weg! Denn egal, was du machst und wie gut du bist, es kommt nicht selten vor, dass du belächelt wirst. Speziell in meinem Bereich wird gern nach den „Digital Natives“ gerufen. Dabei muss ich doch auch den Führerschein machen, obwohl ich im Automobilzeitalter aufgewachsen bin!
Marions „Les Enfants Terrible“
Heike Stiegler Communication HeiStiCom
Dies ist Teil 4 einer Gründerinnen-Serie
Teil 1: Gründen mit 40 „Wir sind kein hippes Start-up, bei dem bis spät in die Nacht gearbeitet wird“
Teil 2: Gründen mit 20 Jung gründen: Nervenkitzel pur
Teil 3: Gründen mit 30 Eine Herausforderung der besonderen Art