Vor ein paar Tagen hatte ich das Vergnügen, US Navy Submarine Captain David Marquet in Berlin sprechen zu hören. Und ja, es war ein Vergnügen. Denn Marquet hat etwas getan, was man eigentlich für unmöglich hält: Er hat sich vom blinden Gehorsam auf seinem U-Boot verabschiedet. Oder: Die Geschichte einer verdammt guten Führungskraft.
Sieben volle Jahre seines Lebens verbrachte David Marquet unter Wasser, er war viele Jahre U-Boot-Kapitän bei der US Navy. Während dieser Zeit, von 1999 bis 2001, befehligte Marquet die “Santa Fe”, ein Atom-U-Boot. Und in dieser Zeit machte er die Santa Fe zum Vorzeigeschiff der gesamten Flotte. Wie er das machte, ist ein Lehrstück für modernes Arbeiten – und das, bevor alle von #NewWork oder Arbeiten 4.0 sprachen.
Dabei begann die ganze Geschichte sehr unerfreulich. Auf die Santa Fe war er kurzfristig berufen worden. Sie war ein Bootstyp, den er kaum kannte – normalerweise kennt ein Kapitän jede Schraube auf dem Schiff, das er befehligt. Nicht so Marquet auf der Santa Fe. “Ich war plötzlich in einer Situation, in der mein gesamtes Training auf einen Schlag nutzlos war”, sagt er.
Sie waren alle in höchster Gefahr
Den Beginn der Geschichte markiert ein Befehl, den Marquet gab: Er ordnete an, dass ein bestimmter Gang eingelegt werden sollte, über den die Santa Fe aber gar nicht verfügte. Der Befehl wurde weitergeben, niemand teilte ihm mit, dass es unmöglich war, diesen Befehl auszuführen. Er erfuhr erst, dass das nicht ging, als der allerletzte Seemann, der sozusagen am Steuerknüppel saß, reglos sitzen blieb. Marquet wurde schlagartig bewusst: Er befehligte ein Atom-U-Boot, das er kaum kannte und mit solch blinden Befehlsbefolgern unter ihm waren sie alle in höchster Gefahr.
Marquet krempelte also das gesamte Boot um, auf eine besonders für die Armee revolutionäre Art und Weise. Er verstand: “Das Problem war nicht, dass ich schlechte Befehle gab. Das Problem war, dass ich überhaupt Befehle gab.”
Marquet machte aus allen seinen Untergebenen Anführer. Anstatt Befehle zu geben, begann er, Fragen zu stellen. Er gab auf diese Weise jedem an Bord seine Verantwortung zurück. “Bei einem normalen Job gehen wir zur Arbeit, um die Arbeit zu machen und nicht, um über sie nachzudenken”, sagt Marquet. “Unser Chef nimmt uns die Kontrolle, anstatt sie uns zu geben.”
“Eine Führungskraft ist verantwortlich für die Kultur”
Auf der Santa Fe bemühte er sich stattdessen, eine Umgebung zu schaffen, in der er keine Befehle mehr geben musste. Das war für die Seeleute nicht einfach, aber es war auch für Marquet schwer. “Ich war ja programmiert darauf, den Menschen zu sagen, was sie zu tun hatten”, sagt er. Er musste also sein gesamtes Kommunikationsverhalten ändern, das er jahrzehntelang eingeübt hatte. Bis dahin hatte er immer gedacht, dass ein guter Kapitän gute Befehle gibt, ein schlechter Kapitän schlechte. Doch er erkannte: Das stimmt nicht.
Er definierte seine Rolle als Kapitän um. “Eine Führungskraft ist verantwortlich für die Kultur”, sagt Marquet heute. Er wurde der Kapitän über die Kultur, über die Atmosphäre an Bord, in der sich seine Crew entfalten können sollte. Er zog einen Sicherheitsring um sie herum, in dem sie sicher waren – und in dem sie auch Fehler machen durften.
Viele potenzielle Führungskräfte erschaffen
Innerhalb kürzester Zeit wurde die Santa Fe eines der bestbewertesten Schiffe in der Flotte der Navy. Sicher, es spielte Marquet in die Karten, dass die Santa Fe ein geschlossener Organismus war. Später wurde er auf ein anderes Boot berufen, weil die Navy wissen wollte, ob es ihm gelingen würde, seinen Erfolg dort zu reproduzieren oder ob er nur einen Zufallstreffer gelandet hatte. Er brachte auch das zweite Schiff auf Vordermann – und wurde schließlich ans Land ins Pentagon berufen. Hier aber biss er auf Granit, bis er die Navy schließlich verließ.
Doch sein Experiment auf der Santa Fe ist trotzdem ein voller Erfolg. “Wir haben mehr potenzielle Führungskräfte erschaffen, als es überhaupt U-Boote bei der Navy gibt”, sagt Marquet und grinst. “Die Qualität einer Führungskraft kann man daran bemessen, wo ihre Untergebenen zehn Jahre später stehen.” Und aus Marquets Crew sind überdurchschnittlich viele mittlerweile selbst in Führungspositionen aufgerückt.
Mission accomplished.
David Marquet hat seine Geschichte aufgeschrieben: „Turn the Ship Around! A True Story of Building Leaders by Breaking the Rules“ heißt das Buch und man kann es z.B. auf Amazon kaufen.
Dieses Stück ist Teil der Blogparade von Melanie Vogel – Futability®
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