Kürzungsrunde um Kürzungsrunde in den Medienhäusern und meistens trifft es zuerst die Freien. Schaden tut das immer dem Journalismus – besser wird ein Produkt eben nicht mit weniger Leuten. Doch das Problem liegt nicht im Journalismus oder daran, dass kein Bedarf mehr an ihm besteht.
Das Problem des Journalismus ist nicht, dass die Menschen ihn nicht mehr haben wollen. Das Bedürfnis nach guter Berichterstattung ist heute so groß wie nie. Die Welt ist unübersichtlich, immer neue Allianzen werden geschmiedet, andere zerfallen, jeder kann ohne große Kosten publizieren, was er will – da sind abgewogene und überprüfte Informationen doppelt wertvoll und verlässliche Experten, die die Geschehnisse einordnen, mehr denn je vonnöten. Diese Analyse ist bekannt. Aber trotzdem gelingt es den Medienhäusern nicht, dieses Bedürfnis zu befriedigen und damit auch noch Geld zu verdienen. Woran liegt das?
Meiner Meinung nach liegt das an der Eintönigkeit der deutschen Chefetagen. Exemplarisch führen uns die Medienhäuser vor, was passiert, wenn man mit den Strukturen von gestern versucht, Antworten für morgen zu finden.
Das qualvolle Sterben eines Geschäftsmodells
Wir beobachten gerade nicht den Tod des Journalismus, wir sehen das qualvolle Sterben eines alten Geschäftsmodells. Übrigens nicht erst seit gestern: Dass das good ol’ Printerlösmodell nicht nach Online übertragen werden kann, ahnen wir bereits seit mindestens einer Dekade. Ideen, Innovationen? Weit und breit nicht zu sehen. Stattdessen wird über Paywalls schwadroniert (wer das fordert, hat das Internet nicht verstanden) und werden Adblocker-Nutzer beleidigt ausgesperrt. Liebe Medien, das Problem sind nicht die Nutzer von Adblockern.
Mittelalte Männer und eine Frau. Wie soll TV da überleben?#mtm15 #mediawomen15 pic.twitter.com/tBfiyDPyDT
— Sissi Pitzer (@sip_media) October 21, 2015
So wenig wie es Diversität und Experimente in den Chefetagen gibt, genauso wenig gibt es Experimente und Innovation in ihren Medienprodukten und ihren Erlösmodellen. Kurz gesagt: Die Armada mittelalter, weißer, anzugtragender Herren richtet ihre Medienhäuser zugrunde, weil sie so flexibel wie ein Fahrplan auf die Digitalisierung reagiert. Den Journalismus reißen sie damit gleich mit in den Abgrund – ein bedauerlicher Kollateralschaden.
Man kann Innovationen fördern
Doch daraus zu schließen, dass die Generation Y eben nur noch snapchattet, die Aufmerksamkeitsspanne einer Fruchtfliege hat und somit für Zeitungen sowieso verloren ist, ist eine Schlussfolgerung, die in die Irre leitet. Ich sage es noch einmal: Das Problem sind nicht die Nutzer, sondern die Medienmacher. Wir sollten uns die Welt öffnen und unseren Horizont erweitern, um uns überhaupt erst in die Lage zu versetzen, uns an die Innovationen heranzutasten! Innovationen fallen nicht vom Himmel. Man muss sie wollen und zulassen.
Man kann Innovationen auch fördern. Und wie? Indem man ein Klima schafft, in dem sie sprießen können. Und dafür gehören die Chefetagen kräftig umgebaut. Holt Frauen an die Spitze der Medienunternehmen! Sorgt für Diversity: Junge, Alte, Frauen, Männer, Europäer, Asiaten, Afrikaner, Schwule, Lesben, Transgender, you name it. Innovation bedeutet also für die Herren, liebgewonnene Macht abzugeben. Kein Wunder, dass sie zögern. Viel zu lange schon.
Ich finde, die mittelalten weißen Männer durften lange genug herumstümpern. Jetzt sind wir dran. Es geht um viel – es geht um guten Journalismus. Und um eine bessere Gesellschaft.
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