Was verdient ihr eigentlich so? Unangenehme Frage? Das geht vielen so. Inga Höltmann stellt sie trotzdem. Denn sie hat gelernt: Wer nicht über Geld redet, schadet nicht nur sich selbst.
Ich stelle sie extra, diese vollkommen unangemessene, indiskrete Frage, ganz oft, wenn ich mit Freunden und Kollegen über ihren Job spreche. Manchmal, wenn sie mir arg zu dreist erscheint, leite ich sie ein mit einem „Darf ich fragen, …“, aber meistens stelle ich sie ganz unverblümt. Die Frage ist: „Was verdienst Du?“.
Manchmal ernte ich entgeisterte Blicke, eine Antwort bekomme ich aber immer. Ich selbst beantworte sie auch immer, wenn sie mir gestellt wird. Manchmal erzähle ich auch einfach so von meinem Honoraren.
Über Geld reden fällt mir nicht leicht
Das ist ein Training für mich, denn über Geld reden fällt mir nicht leicht. Ich habe schon manches Mal darüber nachgedacht, warum es so schwer für mich ist, aber auf die Gründe bin ich noch nicht gekommen.
Dabei kann man mir ja noch nicht einmal vorwerfen, ich würde ausschließlich wegen des Geldes arbeiten gehen. Wenn ich das große Geld hätte verdienen wollen, wäre ich ganz sicher nicht in den Journalismus gegangen. Journalist oder Autor wird nur, wer Überzeugungstäter ist. Was aber ist verwerflich daran, wenn ich zugebe, dass auch ich Geld zum Leben brauche? Dass ich mir meine Aufträge auch danach aussuchen muss, ob Zeitaufwand und Ertrag zusammenpassen?
Dies ist ein Stück, das für das Projekt „BizzMiss“ entstanden ist – ein Online-Magazin, das ich im Jahr 2014 mit drei Mitstreiterinnen gründete. BizzMiss gibt es mittlerweile nicht mehr. Hier habe ich notiert, warum das gut ist.
Noch schwerer fällt mir, Geld einzufordern. Wenn ich darüber reden soll, was meine Arbeit wert ist, wenn ich ein Preisschild an meine Arbeit heften soll. Was ist meine Arbeit wert? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Ja, ich habe Abitur, ja, ich habe studiert, ja, ich habe volontiert, ja, ich habe Berufserfahrung – all das ist richtig, auch durchaus respektabel, aber: Was ist ein angemessener Preis dafür?
Keine falsche Bescheidenheit mehr!
Um mir dieses Unwohlsein abzutrainieren, habe ich irgendwann beschlossen, extra darüber zu reden. Ich habe entschieden, dass nach Honoraren und Gehältern zu fragen oder mit anderen freien Kollegen darüber zu diskutieren, was angemessen sein könnte, Teil meiner Selbständigkeit ist. Ich kämpfe gegen das irrationale Unwohlsein an, das mich beim Thema Geld beschleicht, indem ich den Stier bei den Hörnern packe und es erst recht tue. Bloß keine falsche Bescheidenheit mehr!
Ich hoffe, dass ich so ein Beispiel geben kann, das Schule macht. Ich weiß, dass es nicht nur mir unangenehm ist, offen über Geld zu sprechen, das geht vielen freien Kollegen so. Und das führt dazu, dass die meisten Honorare komplett intransparent sind. Freie schaden sich damit, denn intransparente Honorare nutzen nur einem: dem Auftraggeber, der das ausnutzen möchte. Aber das Geld-Thema ist ja nicht nur eines unter Freien. Die Gender Pay Gap durchzieht alle Branchen und alle Arbeitsverhältnisse – aber es gäbe sie ganz sicher nicht, wenn wir offen über den Wert unserer Arbeit sprechen würden.
Woher kommt die Scham über Gehälter und Honorare zu sprechen? Ich weiß es nicht. Aber es sollte unser Ziel sein, ganz selbstverständlich über diese Komponente unserer Arbeit zu sprechen – besonders als freie Journalisten. Wer Bescheid weiß, kann sicher auftreten, Kollegen Rat geben oder sich im Zweifelsfall auch mal gegen einen Auftraggeber entscheiden.
Also: Weg mit der falschen Scham – denn über Geld redet man. Ganz offen.