Kulturwandel ist nichts, was um die Frauen herum passiert, auch sie selbst müssen sich mitwandeln. Wir brauchen eine neue Kultur untereinander – mein Plädoyer für mehr Sistahood!
Jedes größere Unternehmen, das etwas auf sich hält, fördert Frauen. Die Beweggründe dafür sind unterschiedlich: Vielleicht hat irgend jemand gehört, dass mehr Frauen an der Spitze des Unternehmen das Insolvenzrisiko senken. Oder ein anderer jemand hat das Gefühl, man müsse so etwas aufsetzen, weil die Zeiten es verlangen – Megatrend Frau und so. Und irgendwo dahinten dräut ja auch noch der Fachkräftemangel, vielleicht könne man dem begegnen, wenn man jetzt mal endlich ein paar Frauen ranließe…
Frauenförderung kommt in vielen Facetten daher, Angebote für Teilzeit oder Remote-Arbeit, ein zusätzliches Qualifikationsprogramm oder ein internes Frauennetzwerk können darunter fallen. Doch so richtig verfängt das alles nicht, wir haben immer noch weniger als zehn Prozent Frauen in den Vorständen der Dax-30-Unternehmen – das spricht eine deutliche Sprache. Gerade erst bescheinigte eine Untersuchung des Harvard Business Managers internen Frauennetzwerken ihre Nutzlosigkeit. „Netzwerke sind derzeit häufig nichts weiter als eine Sackgasse und hindern insbesondere Frauen daran, im Unternehmen aufzusteigen“, schreiben die Autoren.
Auf dass Frauen sich gegenseitig nach oben ziehen
Meiner Meinung nach liegt die relative Erfolglosigkeit all dieser Bemühungen aber nicht nur an unwilligen Männern oder an der Starrheit von Unternehmenskulturen. Es liegt auch an den Frauen. Und mit dieser Diagnose will ich nicht in das Sheryl Sandberg’sche Mantra des “Lean In” einstimmen – dass Frauen vielleicht anders angesprochen werden müssen, dass sie anders ermutigt werden müssen, dass sie auch selbst wollen sollten, das wissen wir mittlerweile. Und dass diese unterschiedlichen Bedürfnisse in einem Unternehmen beachtet werden sollten, ist meinem Erachten nach schon lange eine Frage der modernen Unternehmenskultur.
Es geht mir hier vielmehr um das Miteinander der Frauen. Denn ich wünsche mir mehr „Sistahood“: Dass ich mich auf meine weiblichen Kollegen verlassen kann, auch wenn die vielleicht nicht sofort einen Vorteil davon haben. Dass Frauen sich gegenseitig nach oben ziehen, sich unterstützen, füreinander einstehen, einander offen begegnen.
Mithelfen, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle wohlfühlen
Ja, denn Kulturwandel bedeutet auch, dass die Frauen alte Verhaltensweisen ablegen. Dass sie sich darauf besinnen, worum es eigentlich geht: Nicht um die eigene Karriere, nicht um den eigenen Erfolg, sondern darum, mitzuhelfen ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle wohlfühlen, in dem alle arbeiten können, in dem jede und jeder Karriere machen kann, wenn sie oder er das möchte. Da profitiert jeder von ganz allein, ohne, dass man den eigenen Vorteil explizit im Blick haben muss.
Ich habe immer wieder mit Kolleginnen zu tun gehabt, die Meisterinnen von subtiler Kriegsführung waren. Vorne nett, hinten fies. Kolleginnen, die Erfolge missgönnen oder sie sabotieren. Ich wünsche mir, dass so ein Verhalten in einer offenen Kultur auffällt und nicht geduldet wird, dass es sanktioniert wird und nicht etwa belohnt. Dafür braucht es die richtigen Führungskräfte – am besten solche, die sich nicht selbst mit solchem Verhalten nach oben gestrampelt haben.
Es gibt auch Frauenförderung aus den falschen Motiven
Doch während so ein Verhalten noch vergleichsweise einfach auszumachen ist, wird es an dieser Stelle aber noch etwas komplizierter – nämlich dann, wenn Förderung oder Wandel aus den falschen Motiven angestoßen werden. Im Bereich der Frauenförderung gibt es so manche Akteure, die zwar das Richtige tun, aber aus den falschen Beweggründen heraus. Da werden Projekte für Frauen aus der Taufe gehoben, die vor allem ein Ziel haben: Die eigene Karriere befördern. Oder es werden Förderprogramme erfunden, auf denen zwar außen “Frauen” draufsteht, drinnen aber vor allem Employer Branding ist.
Ich bin der Meinung: Wenn wir nicht erkennen, was unsere Motivation ist und wenn diese Motivation nicht aufrichtig an der Sache interessiert ist, werden wir bei diesem gesamtgesellschaftlichen Umbau noch so manches Mal empfindlich straucheln. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass wir scheitern werden, wenn wir es nicht richtig wollen, sondern nur ein bisschen, irgendwie so, weil das ganze Frauenthema gerade so en vogue ist.
Die Verantwortung anderen Frauen gegenüber wahrnehmen
Wer uns Frauen Erfolg haben sehen will, muss das wirklich wollen und es ernsthaft unterstützen – Frauen wie Männer. Sistahood ist für mich, wenn auch Frauen mithelfen umzubauen, ganz bewusst und tatkräftig und nachhaltig. Wenn sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind, die sie sich selbst gegenüber tragen und auch gegenüber allen Frauen um sie herum. Wenn sie die anderen Frauen nicht als Konkurrentinnen wahrnehmen, sondern als Verbündete. Auf eine neue Ära der Zusammenarbeit: Lasst uns Botschafterinnen der Sistahood in allen Unternehmen sein!
Dieses Stück erschien zuerst als Gastbeitrag im Handelsblatt und im Businessnetzwerk Leader.In.