Die Gender Pay Gap in der Schweiz liegt bei beachtlichen 19 Prozent, nur knapp unterhalb der Lücke in Deutschland. Wenigstens tun die Schweizer nun etwas dagegen. Sie gehen einen drastischen Schritt – der auch etwas für Deutschland wäre.
Die Schweiz macht einen interessanten Vorstoß: Arbeitgeber mit mindestens 50 Beschäftigten müssen künftig regelmäßig eine interne Lohnanalyse durchführen, um herauszufinden, wie unterschiedlich sie Männer und Frauen entlohnen, berichtet die Neue Zürcher Zeitung. Soll heißen: Die Unternehmen werden gezwungen, ihre interne Gender Pay Gap zu errechnen. Bis auf die Nachkommastelle. Das ist der erste Schritt hin zu einer Art “Lohnpolizei”, über die in der Schweiz schon länger diskutiert wird.
Wollen die Schweizer tatsächlich den Unternehmen, die ungerecht entlohnen, auf die Finger hauen? Eine aufsehenerregende Idee, ohne Frage. Und bei einer Pay Gap von fast einem Viertel in Deutschland könnte man auch hierzulande einmal darüber nachdenken.
Auch eine Lücke von einem Prozent ist eine Lücke
Sicher, nicht jeder Cent der unterschiedlichen Entlohnung geht auf direkte Diskriminierung zurück. Manche Diskriminierung ist verdeckter, typische Frauenjobs sind traditionell schlechter bezahlt, Frauen werden leichter in Teilzeit gedrängt oder legen bei Gehaltsverhandlungen weniger Geschick an den Tag, all das spielt ebenfalls eine Rolle. Bereinigt um solche Faktoren liegt die Lücke aber immer noch bei acht Prozent. Wer findet, dass das wenig ist, dem sei gesagt: Auch eine Lücke von einem Prozent ist eine Lücke.
Dies ist ein Stück, das für das Projekt „BizzMiss“ entstanden ist – ein Online-Magazin, das ich im Jahr 2014 mit drei Mitstreiterinnen gründete. BizzMiss gibt es mittlerweile nicht mehr. Hier habe ich notiert, warum das gut ist.
Wenn eine Differenz allein dadurch begründet ist, dass Frauenarbeit weniger wert ist, nur weil sie Frauenarbeit ist, dann ist das ein unverständlicher, unhaltbarer Zustand. Und wir sollten alles tun, um diese Ungerechtigkeit zu beseitigen.
Werden die Unternehmen an den Pranger gestellt?
Nun stellt sich die Frage, ob eine “Lohnpolizei” der richtige Weg ist. Die Schweiz strebt an, dass die Ergebnisse der Lohnanalyse dann vielleicht sogar im Jahresbericht veröffentlicht werden. Kann es etwas bringen, die Ergebnisse ans Licht zu zerren? Oder schadet es den Unternehmen, wenn sie derart an den Pranger gestellt werden?
Nun, was geschieht, wenn man sich auf freiwillige Selbstverpflichtungen verlässt oder die Wirtschaft so vor sich hinmuckeln lässt, ohne sie zu kontrollieren oder ihnen konkrete Vorgaben zu machen, zeigt sich eindrucksvoll an der Frauenquote in Deutschland: Eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen sollte die Frauenquote verhindern helfen. Passiert ist zehn lange Jahre – nahezu nichts. In manchen Branchen ist der Anteil an Frauen in Führungsebenen immer noch im mikroskopischen Bereich.
Das Gehalt ist kein Almosen
Woran liegt das? Zu wenig Frauen? Vielleicht. Vor allem aber liegt es an einem: Frauenarbeit ist weniger wert. Die guten Jobs, die wichtigen Jobs mögen doch bitte von den Männern gemacht werden – die bekommen zwar mehr Kohle, aber die sind sie auch wert. Wie sehr diese Zuschreibungen in den Köpfen verankert sind, zeigt auch der Vorschlag der CSU-Landesgruppenvorsitzenden Gerda Hasselfeldt, wegen der Wirtschaftskrise die Einführung der Frauenquote zu verschieben. Nachher machen die Frauen noch was kaputt mit den Jobs, die man ihnen zum Spielen gibt.
Jobs und Kohle sind keine Almosen. Frauen haben genauso ein Recht auf einen guten Job und auf eine angemessene Bezahlung wie Männer. Was dabei herauskommt, wenn man die Lohnpolitik der Unternehmen im Dunkeln lässt, zeigt sich doch am Status Quo: eine Lücke von 22 Prozent. Das ist schon keine Kluft mehr, das ist eine Schlucht.
Wir können eine Lohnpolizei in Deutschland verdammt gut gebrauchen. Die entsprechenden Zahlen gehören veröffentlicht, an prominenter Stelle, zum Beispiel im Geschäftsbericht. Und die Frage nach der unternehmensinternen Gender Pay Gap sollte ganz selbstverständlich ins Repertoire jeder Bewerberin gehören dürfen.