Der lange Auslandsaufenthalt, das Praktikum in dem renommierten Haus: Manche Dinge sehen im Lebenslauf einfach verdammt gut aus. Aber manchmal sind sie auch sinnlos – wenn es nämlich nur ums Aussehen geht. Aufgeblasene Lebensläufe sind doof, weil sie sich ja doch selbst entlarven, meint Inga Höltmann.
Abitur, Studium, Volontariat, dann die Freiberuflichkeit, mein Lebenslauf ist relativ normal. Während des Studiums eine ganze Reihe an Praktika in großen und kleinen Häusern, ein langjähriger Job bei einem großen deutschen Kreditinstitut, mit dem ich das Studium finanziert habe, ein Auslandsaufenthalt – das ist durchaus ein konsistenter Lebenslauf, aber sicher keiner, vor dem sich Personaler ehrfürchtig verneigen.
Die Kunst, Luftnummern auszusieben
Ich bin trotzdem froh, dass ich auf diese Weise studiert habe, denn das hat mir Fähigkeiten vermittelt, die in einer Redaktion sinnvoller sind, als sich zwei Auslandssemester lang auf Papis Kosten in Spanien zu besaufen. Als ich mit dem Studium fertig war, verfügte ich schon über mehrjährige Arbeitserfahrung, ich hatte bewiesen, dass ich belastbar und organisiert bin und kannte bereits eine ganze Reihe an Redaktionen von innen.
Dies ist ein Stück, das für das Projekt „BizzMiss“ entstanden ist – ein Online-Magazin, das ich im Jahr 2014 mit drei Mitstreiterinnen gründete. BizzMiss gibt es mittlerweile nicht mehr. Hier habe ich notiert, warum das gut ist.
Als ich mich dann um Volontariate bewarb, konkurrierte ich gegen viele Bewerber, die lange Auslandsaufenthalte absolviert oder beeindruckende Namen im Lebenslauf hatten – das sieht schick aus, ohne Frage. Ich erwarte aber von einem Personaler, dass er sich von so etwas nicht blenden lässt. Denn im Alltag entlarven sich aufgehübschte Lebensläufe ganz schnell – ein guter Personaler sollte ein Bauchgefühl haben, auf das er sich verlassen kann. Hat der Bewerber wirklich was auf dem Kasten? Oder sieht das nur so aus?
Ein guter Personaler lässt seiner Intuition Raum
Ich hatte eine Handvoll Bewerbungsgespräche für Volontariate. Die rangierten von mehrtägigen Auswahlverfahren bis hin zu “einfachen” Gesprächen. Was mir am meisten im Gedächtnis geblieben ist, war ein langes, sehr persönliches Gespräch mit einem Chefredakteur und seinem Stellvertreter bei einer Filmproduktionsfirma. Die beiden haben kein Schischi mit mir veranstaltet, sondern hatten ein ehrliches Interesse daran, mich kennen zu lernen und gaben auch ihrer Intuition einen Raum. Davor habe ich bis heute Hochachtung.
Sicherlich, irgend etwas an meinen Unterlagen hatte sie bewogen, mich einzuladen, aber als ich vor ihnen saß, hatten sie Lust, die Person hinter den Unterlagen kennenzulernen – und sie hätten auch keine Scheu gehabt, mich zu entlarven.
Kein Respekt vor vermeintlich beeindruckenden Lebensläufen
Meiner Erfahrung nach implodiert ein aufgeblasener Lebenslauf spätestens im Redaktionsalltag. Als ich mit dem Volontariat fertig war und als ausgebildete Redakteurin in den Redaktionen arbeitete, arbeitete ich auch mit solchen Praktikanten und Volontären zusammen und bekam den Blick von der anderen Seite. Was auf dem Papier nett aussieht, muss im Alltag erst einmal seine Tauglichkeit beweisen. Und wer sich in der Ausbildung eher darauf konzentriert hat, dass es nett auf dem Papier aussieht – nun ja, dann sieht es eben nett auf dem Papier aus. Das merkt man schnell.
Deshalb habe ich keinen Respekt vor vermeintlich beeindruckenden Lebensläufen. Ich habe Respekt vor fähigen und engagierten Praktikanten, Volontären und Kollegen – aber das mache ich nicht an irgendwelchen Papieren fest.