Mit Loslassen die „Mama Bias“ überwinden

Sind Väter die besseren Eltern, wie es der „Spiegel“ in seinem aktuellen Titel behauptet? Oder wissen es die Mütter nicht insgeheim doch besser? Ich halte nichts davon, die Geschlechter gegeneinander aufzuwiegeln – mit neuer Entspanntheit gegen die „Mama Bias“.

Dass Väter und Mütter gleichermaßen & gleichberechtigt für die Kinder zuständig sind, sollte doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Dass das noch immer nicht so ist, hat viele Gründe. Doch wir feiern Väter, wenn sie in Elternzeit gehen, geben uns mit zwei Monaten zufrieden oder schreiben und lesen so unsägliche Geschichten wie den aktuellen Spiegel-Titel, der sich doch tatsächlich erdreistet, bei nur etwa einem Drittel aller Väter, die überhaupt in Elternzeit gehen, auszurufen, dass Väter sogleich die besseren Eltern sind.

„Alles ein wenig peinlich“

@Leitmedium schreibt: „Mir ist das als Vater von mehreren Kindern leider alles ein wenig peinlich. Nicht die Elternzeit, der Kinderwagen und der Geburtsvorbereitungskurs, sondern die Lobhudeleien auf Väter.“ Da ist der Spiegel-Titel leider ein Paradebeispiel: Väter nehmen ihre naturgegebenen Aufgaben wahr und kümmern sich um ihren Nachwuchs: Whohooo! Fußnote: Und natürlich machen sie das auch noch besser als die Mütter.

Wem ist mit einem solchen Artikel gedient? Niemanden. Weder den Müttern, noch den Vätern, noch der Gesellschaft als Ganzem – und dem Diskurs, den wir gerade führen, noch zehn Mal nicht.

Wie könnte eine Strategie aussehen, damit umzugehen? Imho sollte das für die Frauen vor allem heißen: Loslassen.

Nicht gatekeepen, nicht dad-keepen, einfach mal locker machen

@dasnuf hat mal was über den Begriff des „Maternal Gatekeeping“ geschrieben. Maternal Gatekeeping nennt man es, wenn „viele Mütter das Thema Kinder und Erziehung so sehr an sich reißen, dass für die Väter gar kein Platz mehr ist, um ihren Part zu erfüllen„, schreibt sie. Das einfache Rezept dagegen: Indem Frauen wieder etwas tun müssen, nämlich die Männer animieren, einbeziehen, loben. Frauen seien also schuld daran, wenn Väter sich nicht ausreichend kümmern und dann auch wiederum verantwortlich, sie wieder an Bord zu holen, kritisierte sie.

Wenn ich vom Loslassen schreibe, meine ich damit nicht, dass Frauen etwas tun sollten, zum Beispiel anstatt Gatekeepen doch besser „Dad-keepen“: Sich anstrengen, den Mann einbeziehen in Haushalts- und Kinderdinge. Ihn antreiben, ihn motivieren, ihm seinen Raum schaffen. Sondern stattdessen weniger tun: Es dem Mann nicht zu einfach zu machen, wenn er es schleifen lässt. Und vor allem: Es auszuhalten, wenn es es schleift.

Das ist einfach gesagt, vor allem von einer kinderlosen Frau. Aber dadurch, dass ich selbst kinderlos bin, habe ich nicht nur Einblick in eine Familie, sondern in ganz viele. Was ich gesehen habe, ist, dass die Mütter oft sehr konkrete Vorstellungen davon haben, wie etwas zu laufen hat. Zum Teil liegt das daran, dass sie durch Schwangerschaft und Stillzeit tatsächlich eine andere Beziehung zum Kind haben. Zum einem weiteren Teil liegt das aber auch an ihrer eigenen „unconscious bias“ was den Kindsvater angeht.

Akzeptiert, dass der Vater es anders macht

Wir reden gern über „unconscious bias“, wenn sich Frauen in Tech-Berufen bewerben und dann am Ende nicht eingestellt werden, weil man es ihnen unbewusst nicht zutraut, weil das ja eine Männerdomäne ist. „Unconscious bias“ im Job finden wir doof. Doch solche Vorurteile gehen immer in beide Richtungen.

Mein Eindruck ist tatsächlich, dass auch viele meiner Freundinnen, die Mütter geworden sind, davon ausgehen, dass ihre Art, den Haushalt zu führen, mit den Kindern umzugehen, irgendwie richtiger ist. Vielleicht, weil sie geübter sind. Vielleicht einfach nur, weil sie die Mütter sind, wer weiß das schon so genau. Ich nenne das die „Mama Bias“. Und die ist genauso beschissen wie alle anderen „biasse“.

Mütter, akzeptiert, dass der Vater es anders macht. Handelt gemeinsam aus, wie Kindererziehung und Haushalt auszusehen haben, einigt Euch mit ihm auf einen Stil – und dann haltet es aus. Auch wenn das Kind dann vielleicht manchmal ein bisschen länger schreit.

Ich mag nicht mehr vom besser oder schlechter zwischen den Geschlechtern hören und lesen. Anders? Vielleicht. Aber das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern sollten – daheim, im Job, überall.

Zum neuen Loslassen gehört dann übrigens auch, solche depperten Spiegel-Titel an sich abperlen zu lassen. Die sind nämlich null Komma null zielführend.

2 Gedanken zu „Mit Loslassen die „Mama Bias“ überwinden

  • 23. Dezember 2015 um 12:01 Uhr
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    Das mit dem Loslassen funktioniert doch aber nur, wenn jemand anders dann die freiwerdende Verantwortung übernimmt. Und das ist in den meisten Fällen eben nicht der Fall. Und ein Kind lässt sich (anders als vielleicht der Haushalt) auch nicht einfach mal ein paar Tage liegenlassen, bis der Vater auf die Idee kommt, was zu tun. Und genau da ist der Spiegel-Artikel auch besonders problematisch, weil er den Vätern sagt: „Ihr müsst nicht die (Haupt-)Verantwortung übernehmen. Im Gegenteil: Wenn ihr sie nicht übernehmt, seid ihr sogar noch cooler als die Mütter.“

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    • 23. Dezember 2015 um 18:24 Uhr
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      Danke, Jochen. Ja, Du hast recht – ein schreiendes Kind ist natürlich schlechter auszuhalten als ein schmutziges Bad. Ich habe mal ein Interview mit der Buchautorin Michèle Binswanger geführt (http://bizzmiss.de/business-women/muetter-muessen-lernen-ihre-kinder-abzugeben/) und sie sagte mir: „Mütter müssen lernen, ihre Kinder abzugeben und ihren Partnern zu vertrauen“ – und das sehe ich ähnlich. Vater und Mutter entscheiden sich gemeinsam für das Kind und man kann nicht darüber jammern, dass einen das Muttersein auffrisst und andererseits keinen Jota von der Seite des Kindes weichen. Ich wünsche mir oft, dass diese ganze Debatte zwar weiterhin mit der nötigen Intensität geführt wird, aber auch mit mehr Wohlwollen und gegenseitigem Vertrauen.

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